Geboren im heutigen Polen (Ostpreußen, Gr. Lensk, Kreis Neidenburg), verheiratet, zwei Söhne.
Meine Biografie ist geprägt von den beiden Kriegen des 20. Jahrhunderts. Meine Mutter und ihre Familie, Russlanddeutsche in Wolhynien, wurde im ersten Weltkrieg nach Sibirien verschleppt, sie blieb allein übrig, landete in Ostpreußen als Bauernmagd, ohne je eine Schule besucht zu haben. Heirat, sieben Kinder, mein Vater war Schlossermeister mit eigenem Betrieb und Bürgermeister. Zweiter Weltkrieg. An seinem Ende wurde ich 1944 geboren. Flucht auf dem Pferdewagen nach Westdeutschland. Mein Vater fiel 1945. Armut, sieben Jahre Leben in einem Barackenlager, eine schwer arbeitende, fromme Mutter. Ein weiter Weg bis heute.
Studium Germanistik und Kunstgeschichte in Kiel, Göttingen und Hamburg; Heirat und Geburt meines ersten Kindes noch im Studium. Kinderladenarbeit. Ein zweites Studium, Pädagogik, Psychologie, Didaktik, in Hamburg.
Ein paar Jahre wissenschaftliche Assistentin (Deutschdidaktik) an der Universität Hamburg, ein paar Jahre Lehrerin (Deutsch, Kunst, Politik), 1984 Aufgabe des Beamtenstatus und frei beruflich tätig: Lehraufträge an der Uni HH, Lehrerfortbildung, Creative Writing-Kurse, Lektortätigkeit) und, vor allem, Arbeit an eigenen Texten. 1986 Geburt meines zweiten Kindes.
Mein wichtigstes Thema war das Leben meiner Mutter und meine Barackenkindheit. Erst über 20 Jahre später konnte ich mich von dem Text trennen und ihn veröffentlichen (s. rechts, Barackenkind).
Ab 1984 (Aufgabe meiner Arbeit als Lehrerin) habe ich sehr viel geschrieben, erst nach 2000 kam die Zeit des Veröffentlichens.
Nach den Erfahrungen auf dem literarischen Markt gab ich die weiteren Bemühungen um einen Verlag bald auf und veröffentliche ab 2003 zusammen mit Wolfgang Pollak meine Texte als künstlerisch gestaltete Bücher in limitierter Auflage.
Bis heute sind 9 Romane, 4 Lyrik-, 6 Erzählbände und das gattungsmäßig kaum einzuordnende Anselm-Kiefer-Projekt erschienen.
Romantetralogie über vier Freundinnen:
Myscha Bonewski, Juniorchef eines Geschäftsimperiums, will nach einem Burnout sein persönliches und berufliches Leben verändern. Er will ruhiger leben und langfristig versuchen, eine Form des Wirtschaftens zu realisieren, die nicht auf Wachstum setzt. Für seinen Vater, den Firmenchef, ist er durch derartige Ideen einfach ein Idiot im herkömmlichen Sinn. Politische Moral steht gegen Profitorientierung. Als Myscha seine Ideen in der Firma durchzusetzen versucht, will sein Vater ihn für unzurechnungsfähig erklären lassen.
Außer in Konflikte mit dem Vater gerät Myscha zwischen zwei Frauen und verwickelt sich dort so, dass er an sich zweifelt. Auch ein Hilfsprojekt für einen Firmenarbeiter scheitert. Myscha misslingt im ersten Anlauf also gründlich, was er vorhat. "Das System schlägt zurück." Verwirrt, verletzt und verzweifelt ruft er ein Taxi, um in die Burnout-Klinik zurückzukehren, steigt allerdings wieder aus. Er wird weitermachen.
Zum dritten Mal stieg er um, dieser Zug würde ihn nach Hause bringen. Er hatte nichts bei sich als das, was in seine Manteltaschen passte, den Transport seiner Koffer hatte die Klinik übernommen, Adresse: das Firmenbüro in der Stadt. Kein Laptop hing über der Schulter, es gab nichts zu arbeiten auf dieser Fahrt, also hatte er sich die erste Klasse gespart.
Er steuerte das Abteil in der Waggonmitte an, den Tisch mit Sitzen in beiden Richtungen und Platz für lange Beine. Aber da hatten sich schon zwei Anzugmänner ausgebreitet, zwischen sich ihre hochgefahrenen Laptops, auf dem Bildschirm des einen die nur zu vertrauten Tabellen. Myscha vermied es, genau hinzusehen. Vor kurzem wäre er noch weitergestürzt, hätte Distanz gebraucht. Jetzt hängte er seinen Mantel einfach in der Sitzreihe davor auf und brachte seine Gliedmaßen unter. Es gab noch viele freie Plätze, der September war kein Reisemonat und dies keine Tageszeit, in der Züge überquollen. Ganz so viel Ungeniertes "Ich bin jetzt hier im Zug", "Na gut, denn bis gleich" und "Tschüssi" würden ihn nicht umschwirren. Und auch keine Beichten und Probleme. Im vorigen Zug hätte er eins der Mädchen, nachdem es sein Handy wieder eingesteckt hatte, am liebsten angesprochen, weil es zwar kurz, aber ziemlich verzweifelt über seine missratene Bachelor-Arbeit gesprochen und so blass und mit Löchern im T-Shirt dagesessen hatte. Er hatte es dann doch gelassen. Sie hatte nicht so ausgesehen, als würde sie sich dem erstbesten Mann anvertrauen.
Als er hinaussah, fuhr der ICE bereits über freies Land; das Stadium, in dem Büsche und Häuser sehr nah an den Gleisen vorbeiflitzten und einen beim Hinaussehen mit Schwindel bedrohten, war bereits passé. Zwei Rehe standen zierlich mitten im Grün und lauschten mit aufgestellten Ohren zu dem rasenden Ungetüm herüber, in dem er saß.
Einen Augenblick stellte er den Blick scharf und sah sich selbst in der Scheibe. Kein Jackett, der Pullover violett, violett war seine Farbe, die Wolle weich und angenehm auf der Haut. Das Gesicht darüber ein weißer, schwarz gerahmter Fleck. So weißhäutig war er früher nie gewesen. Dunkle Locken verdeckten jetzt zum Teil die hohe Stirn, die sein Vater ihm vererbt hatte; Locken, mit denen er sich als Junge nur schwer hatte anfreunden können, auch weil er sich immer gefürchtet hatte, sie könnten seinen Vater wieder zu einem seiner Lieblingssätze verführen, "Du bist doch kein Mädchen." In dem Scheibenbild konnte er die ersten weißen Fäden, die es seit kurzem gab, nicht entdecken, auch wenn er noch so konzentriert hinsah. Mit 34 begann er bereits weiß zu werden. Er hatte sich entschlossen, einen Bart zu tragen; keinen Vollbart, aber die Wangen waren doch bis zu den Jochbeinen dunkel bedeckt.
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Edith Dühl
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